Sömmerda/ Thür.

Auszüge aus einer Chronik, die es noch nicht gibt

10.  Sömmerda nach der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands

Die Volkskammer der DDR beschloss im Einigungsvertrag mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 den Anschluss an die Bundesrepublik Deutschland und im Ländereinführungsgesetz vom 4. Oktober 1990 u. a. die Wiederherstellung des Landes Thüringen.
Nach der Wende in der DDR stellte sich für viele Einwohner der Stadt Sömmerda die Frage: Wie weiter? Das entscheidende Glied war hierbei, wie würde sich die neue Situation auf den größten Betrieb der Stadt, das Büromaschinenwerk, auswirken? Würden die mit der Sowjetunion, Polen, der Tschechoslowakei u. a. Ländern aufgebauten Exportbeziehungen bestehen bleiben?
Die folgende Entwicklung zeigte, dass das Kombinat nicht die Wirtschaftsorganisation war, um unter den neuen Bedingungen die anstehenden komplizierten Probleme zu meistern.
Im Büromaschinenwerk Sömmerda sollte ab Herbst 1990 serienmäßig der elektronische Computer EC 1835 turbo gefertigt werden. Mit Wirkung vom 1. Juni 1990 wurde die Aktiengesellschaft "Robotron Büromaschinenwerk Sömmerda" gebildet. Die Treuhandanstalt übernahm die Rechtsträgerschaft an Grund und Boden und übertrug die Nutzungsrechte an die neue Kapitalgesellschaft. In der Folgezeit zeigte sich, dass die Veränderungen im gesellschaftlichen System der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Länder gravierende Auswirkungen auf deren Wirtschaft hatten. Der Hauptabsatzmarkt für das Büromaschinenwerk brach zusammen. Da die Treuhand nicht bereit war, das Büromaschinenwerk finanziell zu unterstützen, verkündete der Vorsitzende des Vorstandes der "Robotron Büromaschinenwerk AG Sömmerda" sein Konzept der stillen Liquidation.
Alle Versuche, andere Lösungen zu finden, scheiterten. Im November 1991 wurde allen Büromaschinenwerkern gekündigt. Die "Robotron Büromaschinenwerk AG Sömmerda" hörte auf zu existieren.

Als das "Aus" für das Büromaschinenwerk Sömmerda durch die Treuhand gesprochen wurde, konnte das Werk auf eine 175-jährige Geschichte und Tradition zurückblicken. Dreimal schon in der Geschichte des Werkes standen die in ihm tätigen Menschen vor dem "historischen Aus".
Nach 1871, als den objektiven Zwängen der Entwicklung der Technik nicht Rechnung getragen wurde und 1918 und 1945 am Ende eines verheerenden Krieges. In Zweidritteln der Zeit seines Bestehens wurde das Produktionsprofil des Werkes durch die Herstellung von Präzisionswaffen und Munition geprägt und das Wissen und Können der Menschen wurde für die Vernichtung eingesetzt.

In 30 Prozent der Zeit seines Bestehens und das trifft besonders auf die letzten 45 Jahre zu, wurde das Produktionsprofil des Werkes von Erzeugnissen geprägt, die zur Befriedigung der Bedürfnisse der Gesellschaft, der Bevölkerung, bestimmt waren.

Die Geschichte des Werkes macht deutlich, welche unendliche Potenz an Wissen und Können die Menschen verkörperten, die in ihm tätig waren, ein Nationalreichtum, den keine Region und kein Staat brach liegen lassen kann.
Was zu dem Büromaschinenwerk festgestellt wurde, gilt auch analog für andere Betriebe in Sömmerda.

Die ganze Situation wurde verschärft durch die einsetzende Strukturkrise in den alten Bundesländern. Nun drängten die Büromaschinenunternehmen von dort mit anderen, ausländischen, Unternehmen auf die Märkte des Büromaschinenwerkes Sömmerda.

Nach der Stillegung des VEB Dachziegelwerk Sömmerda begannen im Mai 1992 die Abrissarbeiten im Werk II. Das Gelände sollte dem deutschen ASI-Unternehmen für den Aufbau einer Produktionsstätte für Personalcomputer zur Verfügung gestellt werden.
1998 beginnt der Abriss der alten Ziegelei.

Neugegründete Firmen in Sömmerda und der Aufschwung des Handwerkes konnten den Arbeitsmarkt nicht entlasten. Sömmerda hatte eine Arbeitslosenquote von über 28 Prozent mit weitgehenden Auswirkungen auf das Leben vieler Familien.
Die Arbeitslosenquote im Landkreis Sömmerda wird deutlich durch die Liquidierung des Büromaschinenwerkes geprägt. Während sie im Januar 1991 noch bei 7,4% liegt, schießt sie nach der Schließung des Werkes auf offiziell über 28%. Sie pegelt sich dann auf hohem Niveau ein, wobei die 20 Prozent nicht unterschritten werden. Nicht erfasst werden dabei die Tausenden Menschen in Umschulungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Ende Januar 1996 hat sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt immer noch nicht entspannt. Der Landkreis Sömmerda bildet mit einer Arbeitslosenquote von 22,8% das Schlusslicht in Thüringen, im März sind es bereits 24,4%.
Am 29. Februar 1996 wird für die Sömmerdaer Bauunion GmbH das Verfahren zur Gesamtvollstreckung eröffnet. Betroffen sind 150 Beschäftigte. 1998 geht die Firma Derra-Bau in Gesamtvollstreckung. Jeder Konkurs im Mittelstand führt zu neuen Turbulenzen.
Am 6.4.1993 streiken 150-180 Beschäftigte der Sömmerdaer Metallwerk-Belegschaft für die Einhaltung der Tarife. Im Februar 1994 besetzt die Belegschaft den Betrieb, um 130 Arbeitsplätze zu retten. Zum 1. September 1994 wird die Gießerei der Sömmerdaer Metallwerk GbmH durch die Übernahme durch einen neuen Eigentümer vom Konkurs gerettet.

Auf der Grundlage des "Gesetzes zur Neugliederung der Landkreise und kreisfreien Städte in Thüringen" vom 16.08.1993 steht fest, dass Sömmerda weiterhin Kreisstadt des Kreises Sömmerda bleibt, der zum Territorium des Freistaates Thüringen gehört.

Während die Orte Rohrborn und Wenigensömmern bereits 1974 als Ortsteile in die Stadt Sömmerda eingemeindet wurden, erfolgte die Eingemeindung der Orte Schallenburg, Tunzenhausen, Leubingen, Stödten und Frohndorf/Orlishausen im Jahre 1993 und die Bestätigung durch den Freistaat Thüringen im März 1994. Die Zukunft wird beweisen müssen, ob dieser Verwaltungsakt den Interessen der Bürger dieser Gemeinden entspricht.
Die Ortsteile werden durch ihren dörflichen Charakter geprägt. Die früher hier dominierenden Bauernhöfe sind infolge der LPG-Bildung weitestgehend verschwunden und durch landwirtschaftliche Großanlagen an den Ortsrändern ersetzt worden. Diese werden auch noch teilweise durch die Agrargenossenschaften und ähnliche landwirtschaftliche Betriebe genutzt bzw. beherbergen heute Produktions-, Handels- oder Dienstbetriebe.

In Sömmerda, auf dem Ziegeleigelände, siedelte sich 1993 ein neuer Computerproduzent, die taiwanesische Firma "Aquarius Systems International" an. Geschaffen wurden 300 Arbeitsplätze. 1995 steigt der weltweit zweitgrößte Computerhersteller Fujitsu aus Japan über sein britisches Tochterunternehmen ICL Technology mehrheitlich beim Sömmerdaer Hersteller ASI ein. Bereits 1997 läuft der 1.111.111. Personalcomputer von Fujitsu vom Band, was vom Hersteller mit einer Jubiläumsfeier und einem Tag der offenen Tür gefeiert wird.
Ab 1995 produziert im selben Gelände die Firma KDS (Korea Data Systems) mit 40 Beschäftigten Computermonitore.
Am 24. Mai 1998 feiert der Computerhersteller Fujitsu das Richtfest für sein neues Technologiezentrum in Sömmerda, das am 11.11. desselben Jahres seiner Bestimmung übergeben wird.

Durch die Deutsche Reichsbahn/Deutsche Bahn AG wird die Bahnstrecke Erfurt-Sömmerda zweigleisig ausgebaut und elektrifiziert. Im März 1994 wurde mit der Elektrifizierung der Eisenbahnstrecke Erfurt - Sömmerda eine erste Etappe der Modernisierung der Reichsbahn abgeschlossen. Ab Mai 1994 verkehren auf dieser Teilstrecke die ersten Personenzüge mit Elektrolokomotiven.

Zu Beginn der 90er Jahre setzt in Sömmerda eine rege Bau- und Sanierungstätigkeit ein, die auch in den folgenden Jahren kontinuierlich fortgesetzt wird. So erhält die 3. Grundschule eine neue Turnhalle, die Volks- und Raiffeisenbank errichtet eine neue Geschäftsstelle in der Goethestraße, die Sparkasse baut ihre Hauptstelle in der Bahnhofstraße um und aus und errichtet eine neue Zweigstelle in der Neuen Zeit. In der Kölledaer Straße wird ein Büro- und Geschäftshaus gebaut. Auf der Erfurter Höhe wird der Grundstein für eine Eigentumswohnanlage gelegt. In der Flur von Wenigensömmern entsteht eine neue Kläranlage für Sömmerda, Leubingen und Tunzenhausen.
Im Anschluß an das Wohngebiet "Offenhain" entstand 1991 ein Einkaufspark, der durch Einkaufsmärkte, Fachgeschäfte und Autohäuser geprägt wird.
1996 wird am Sömmerdaer Marktplatz die neue Marktpassage eröffnet.

Das ehemalige Wehrkreiskommando in der Bahnhofstraße wird umgebaut und soll vom Sozialamt des Landkreises genutzt werden. Das Finanzamt Sömmerda, vor 1990 als Betriebspoliklinik geplant, wird 1993 eingeweiht. Die Berufsbildende Schule, nach der Zentralisierung der Berufsbildung im Landkreis Sömmerda und der Schließung der Berufsschule Buttstädt einzige im Landkreis, wird generalsaniert.
Auf dem Gelände des ehemaligen Baustoffkombinates ist ein modernes Betonwerk der Firma Hornbach Kläranlagen entstanden.
Die Neuerschließung des BWS-Geländes beginnt. Erster großer Neubau ist ein Büro- und Geschäftshaus, das vom Arbeitsamt Sömmerda und der AOK Thüringen genutzt wird.
Die Neuerschließung geht einher mit dem "Rückbau" bestehender Gebäude. So wird 1995 trotz mehrerer Protestaktionen das Soemtronhaus gesprengt. Da damit Sömmerdas einziger großer Saal wegfiel, mussten Großveranstaltungen wie z. B. der Abiturball des Gymnasiums über Jahre auf Dörfern in der Umgebung gefeiert werden, die noch über genügend Kapazitäten verfügten. Der Neubau der Mehrzweckhalle (Dreifelderhalle; Einweihung 12.09.1998) in der Fichtestraße löste dieses Problem.
Bereits 1994 wird das Gebäude der ehemaligen Vorfertigung, der sogenannte V-Bau, gesprengt. Mit der Sprengung des F/E-Gebäudes am 16. August 1996 verschwindet das nächste große Gebäude auf dem BWS-Gelände. Insgesamt werden über 130 Gebäude des ehemaligen Büromaschinenwerkes abgerissen.
1996 wird das Wohngebiet "Neue Zeit" einer von acht Modellstandorten des Landes Thüringen für die Sanierung großer Neubaugebiete in Block- und Plattenbauweise.
1998 wird mit der Erschließung des Neubaugebietes "Am Rothenbach" begonnen.
2000 beginnt der Bau eines neuen Gebäudes für die Sömmerdaer Feuerwehr.

Die nach der Wende rasant einsetzende Motorisierung im privaten Bereich hat dazu geführt, dass in der Stadt ein großer Teil der Haushalte einen Personenkraftwagen besitzt (im Jahre 1990 besaßen im Kreis Sömmerda von 1000 Einwohnern 273 einen Personenkraftwagen, bis zum Oktober 1993 veränderte sich das Verhältnis auf 1000 : 376). Daraus entstehen neue Probleme für die Stadt. Während zur Begrenzung der Luftschadstoffe in erster Linie der Staat und die Kraftfahrzeug-Industrie gefordert sind, steht vor der Stadtverwaltung die Aufgabe, genügend und sinnvolle Parkmöglichkeiten zu schaffen, den innerstädtischen Verkehr verkehrssicher zu gestalten und in Ballungs- und Einkaufszentren autofreie Zonen zu schaffen. Aufgaben, die nicht unbeträchtliche Investitionen erfordern.

Am 3. Oktober 1992 startet das 1. Sömmerdaer Rafting, das von der Lokalredaktion der "Thüringer Allgemeinen" und dem Kanu-Club Sömmerda auf dem Wildwasserkanal veranstaltet wird. Es entwickelt sich über die Jahre zur festen Größe im Sömmerdaer Veranstaltungskalender mit ständig steigenden Teilnehmerzahlen.
Am 10.10.1993 wird das 100jährige Jubiläum des Bestehens der Katholischen Pfarrkirche Sömmerda mit einem Festprogramm gefeiert.
1994 findet die erste Handwerker- und Industriemesse "Soem 94" im Soemtronhaus statt. Ebenfalls in diesem Jahr wird das Sömmerdaer City-Fest ins Leben gerufen.
1995 feiert Sömmerda 575 Jahre Stadtrecht.
Im Jahre 2001 begeht Sömmerda das 1125. Jubiläum der ersten urkundlichen Erwähnung.

Im Juni 1993 finden die deutschen Meisterschaften der Kinder und Jugendlichen im Kanuslalom in Sömmerda statt, aus denen der Sömmerdaer Kanuklub als einer der erfolgreichsten Vereine hervorgeht. Beim 40. Sömmerdaer-Kanuslalom im April 1995 stehen 10 Sömmerdaer Kanuten auf dem Siegertreppchen. Im Juni desselben Jahres wird der Sömmerdaer Kanu-Club bester Verein bei den Thüringer Landesmeisterschaften in Sömmerda. Im September wird die Festwoche "70 Jahre Kanusport" in Sömmerda begangen.
Ebenefalls im September 1995 feiert der KSV Sömmerda 1910 den 85. Jahrestag des Gewichthebersports in Sömmerda. Im April 1997 wird zum ersten Mal ein Titel bei den Deutschen Meisterschaften im Gewichtheben errungen. Auch Sömmerdas Ringer blicken auf eine 85jährige Tadition zurück, da ihre Sektion des SVS wir der KSV aus dem 1910 gegründeten Kraftsportclub Sömmerda hervorging.
Im Mai 1997 richtet die Abteilung Radsport des SV Sömmerda die Thüringer Landesmeisterschaften im Straßenradsport aus und erringt eine Silbermedaille.
Am 17.8.1994 finden die Fahnenweihe des Schützenvereins "Nicolaus von Dreyse" Sömmerda und ein erstes Zündnadelgewehrschießen statt. Am 18.02.1995 veranstaltet der Verein ein sogenanntes "Jungfernschießen" mit vier originalen Zündnadelgewehren.
Am 3. Mai 1997 wird dem Blasmusikverein Sömmerda anlässlich seines 40-jährigen Bestehens vom Sömmerdaer Bürgermeister der Titel "Stadtkapelle Sömmerda" verliehen.


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