Sömmerda/ Thür.

Auszüge aus einer Chronik, die es noch nicht gibt

4.  Sömmerda im 17. und 18. Jahrhundert

Nachdem der Versuch der Schweden, Erfurt im Westfälischen Frieden den Status einer Reichsstadt zu verschaffen, gescheitert war, setzte der Mainzer Erzbischof durch, daß er in alle Rechte gegenüber Erfurt wieder eingesetzt wurde. Eine Mainzer Exekutionsarmee, aus französischen Soldaten, besiegte Erfurt. Die Stadt wurde von 1667 an von einem Mainzer Fürststatthalter absolut regiert. Mit Erfurt kam auch Sömmerda unter kurmainzische Herrschaft.
Für die folgende Zeit berichten die Sömmerdaer Ratsakten wiederholt von Truppendurchmärschen, wodurch der Stadt bedeutende Kosten entstanden. Regimenter der kaiserlichen Armee, kursächsische Hilfsvölker, kurbrandenburgische Reiter, Sachsen-Hallische Soldaten u.a., Fürsten, Offiziere und Soldaten, durchzogen die Stadt, rasteten in ihr, verlangten Essen - wobei, je höher die Ränge, desto anspruchsvoller die Forderungen an das Mahl - Futter für Pferde, Spanndienste u. a.

Einen interessanten Einblick in das Stadtleben in dieser Zeit geben die Gesetze und Gebräuche um das Bierbrauen. Welches Gewicht dem Bierbrauen beigemessen wurde, zeigen die Brauverordnungen von 1591, 1617, 1634 und 1677.
Braurecht hatten die Kurmainzer Regierung, die Stadt und die Bürger.
Für die Bürger war das Brauvolumen auf 4 Malter festgelegt. Auf Kontrolle und Rechnung der Stadt braute man das Stadtbier. Neben dem Stadtbier führte der Rat auch noch fremde Biere ein, das Eislebische Bier und das Naumburgische Bier. Das von den Bürgern gebraute Bier nannte man Bürgerbräu. War das Bier zum Trinken fertig, so gab der Bürger das durch das Bierzeichen kund. Wer Bürgerbier brauen wollte, mußte ein Barvermögen von 400 Schock Groschen, eine eigene Wohnung und einen Keller haben. Taten sich Bürger zu einem gemeinsamen Gebräu zusammen, nannte man das Gesellenbräu. Durch die Brauverordnung wurden weiter die Braugebühren, -abgaben und Strafen bei Verstößen gegen die Verordnung geregelt.

1554 ist in den Aufzeichnungen der Stadt zum ersten Mal eine Schule, die von St. Bonifatius, erwähnt worden. Die Klassenräume waren in zwei Privathäusern, in der unteren Etage, Markt Nr. 6 und 7 untergebracht. In dem einen Gebäude war die Knabenschule, im anderen die Mädchenschule eingerichtet.

Einen weiteren Einblick in das Stadtleben gibt die vom Rat im September 1682 beschlossene Schulordnung:


1. Daß die Lektiones mit allem Fleiß traktieret werden,
2. daß alljährlich im Januar Exerzitien geschrieben werden,
3. das Schulprotokoll ist den ständigen Ratsmitgliedern vorzulegen,
4. das Singen soll mit allem Fleiß geübt werden,
5. die Kinder darf man wegen Feldarbeit nicht aus der Schule lassen,
6. der Lehrer soll sein Amt gebührmäßig verrichten, soll laut reden, daß es die Kinder alle vernehmen
7. Wie die Erfahrung gelehrt, stehen die Kinder oft haufenweise bei dem Amtshaus oder vor der Cavate, das muß unterbleiben.
8. Der Baccalaurius soll nicht seine Primatisten oder seine Söhne aufsagen und die Lektiones lesen lassen, sondern selbst fleißig obdacht halten, nicht auf und ab spezieren oder wohl gar dreierlei ohne Nutz verrichten, wie anhero geschehen.
9. Es werden sämtliche Collegen ernsthaft dahin gewiesen, daß sie die aufgegebenen Lektiones redlich und ohne Schläge corregieren, die Kinder zum Streben ohnablässig anhalten, jedoch bei der Correktur nicht vergessen auf die Form zu sehen, damit die Kinder im Leben fortkommen.
10. Die Lehrer sollen untereinander vertraulich und einig leben, ihre ordinat und Arbeit, so viel möglich, zur gelegenen Zeit, ohne Verabsäumung der Schularbeit vornehmen und verrichten.
11. Ohne vorbewußte Erlaubnis des Inspektor oder in dessen Abwesenheit des Rektors, darf nie ein Schulkollege die Lektiones versäumen.
12. Hat der Rektor etwas zu erinnern, so kann die Erlaubnis nicht gegeben werden, die Worte des Rektors sollen die Schulkollegen ohne Murren und Widerspenstigkeit hinnehmen.

Die Stadt besaß zu dieser Zeit an Schulkollegen: 1 Rektor, 1 Conrektor, 1 Baccalaurius, 1 Ludimorat Petrina, 2 Pfarrer und 1 Präceptor.

Die Unterbringung und Erhaltung der Schule sowie die Lehrerbesoldung gingen zu Lasten der Stadt.

Auch auf medizinischem Gebiet machte die Stadt Fortschritte. Seit 1682 waren ein Stadtmedikus und seit 1685, neben der Stadtapotheke, noch ein Apotheker tätig.

Die 1682 schriftlich fixierten Stadtgesetze geben einen Einblick in die Verwaltung und Aufgabenbereiche der Stadt. Das Statutenbuch enthält eine große Anzahl von Verordnungen über Rechtspflege, Polizei- und Gemeindeverwaltung, über die Erbfolge, den Gewerbebetrieb, das Bauwesen, die Feuerpolizei sowie genaue Instruktionen der Beamten.
An der Spitze der Stadtverwaltung standen drei Räte, die das Regiment führten und von denen einer der regierende Bürgermeister, die anderen beiden die Ratfreunde waren. Der Bürgermeister mußte vom Rat in Erfurt bestätigt werden, danach stellte der Amtmann den Rat den Bürgern der Stadt vor. Der Rat bestimmte nach seiner Bestätigung die städtischen Beamten: einen Stadtschreiber, einen Schenken, Ratsknechte, Torwächter, Hirten und andere notwendige Stadtdiener.
Das Schenkgeschäft der Ratskellerwirtschaft war ein besonderer Zweig der städtischen Verwaltung und eine nicht unwichtige Einnahmequelle der Stadt.

Der Bürger stand unter dem Schutz des Rates, der ihm Frieden und Recht gewährte. Beides galt aber nur, solange lokal das Stadtgebiet und personal der Bürgerverband nicht verlassen wurde.

Im 18. Jahrhundert wurde die Stadt wiederholt von schweren Bränden heimgesucht.

In dieser Zeit kannten die Bürger der Stadt bei ausbrechenden Bränden nur die Selbsthilfe und die Hilfsbereitschaft der Nachbarn und Mitbürger, bei der Bekämpfung des Brandes zu helfen.
Zwar gab es schon die ersten Bestimmungen darüber, wie die Bürgerschaft sich bei einem ausgebrochenen Feuer zu verhalten hat, allein die zur Verfügung stehenden Gerätschaften genügten nicht, einen Brand wirksam zu bekämpfen. Dazu kam, daß die Baumaterialien der Häuser ausschließlich aus Holz, Lehm, Rohr und Stroh bestanden, so daß ausgebrochenen Bränden ganze Straßenzüge zum Opfer fielen. Zur Brandbekämpfung standen nur Feuerleiter, Feuerhaken und Wassereimer zur Verfügung. Die Bürger bildeten Ketten von der Wasserstelle der Unstrut, die dem Brande am nächsten lag bzw. einem schon vorhandenen Brunnen. Der mit Wasser gefüllte Eimer ging von Hand zu Hand, um dann in das Feuer entleert zu werden. Sämtliche Bauhandwerker mußten sich mit Werkzeug an der Brandstätte einfinden, da vielfach auch der Versuch gemacht wurde, durch Abbruch der nächstliegenden Gebäude das Feuer einzudämmen.
Jeder Haushalt war verpflichtet, eine Leiter und Wassereimer zu halten. Der Magistrat stellte Ledereimer, gefirnißte Stroheimer, Feuerhaken und Leitern zur Verfügung, die an bestimmten Stellen der Stadt deponiert wurden.

1686 hatte der Rat der Stadt schon eine Wasserkunst (Handspritze) beschafft, eine große Hilfe war sie jedoch nicht, da sie erst mit Wasser gefüllt werden mußte und dann als Druckspritze das Wasser auf das Feuer brachte.
Feueralarm wurde ausgelöst von den Nachtwächtern bzw. vom Stadtpfeiffer und Türmer. In einer alten Bestallungsurkunde hieß es u.a.: "der Hausmann oder Türmer hat zur Sicherung der Wohnungen in der Stadt auf besagtem Turme sowohl am Tage als auch bei Nacht richtige und pünktliche Wache zu halten und zum Ende am Tage nach jedem Stundenschlag und des Nachts nach jeder Viertelstunde mit dem "kleinen Horn" das Sicherheitssignal zu geben." Beim Ausbruch eines Feuers in der Stadt muß der Hausmann sofort mit ununterbrochenen einzelnen Schlägen auf die "große Glocke" das Sturmzeichen geben und damit solange fortfahren, bis das Feuer gedämpft ist.

1723 ist wieder ein Türmer auf dem Bonifatiusturm angestellt worden, in den vergangenen Jahren konnten die Kosten für einen Turmwächter nicht aufgebracht werden. 1772 wurde Gerhard Bernhard Buchbinder mit dieser Aufgabe betraut und übte zugleich das Amt eines Musikmeisters/Turmbläsers aus. Ihm folgten Johann Christian Friedrich Buchbinder, Emanuel Buchbinder, Karl Buchbinder und als fünfter der am 14. Oktober 1928 verstorbene Wilhelm Buchbinder. Rund 150 Jahre hatte die Familie Buchbinder die Stadtmusikusstelle inne. Zuerst verbunden mit dem Amt des Turmwächters auf dem Bonifatiusturm, das aber später, mit der Verlegung der Wohnräume der Stadtkapelle in die Stadt, abgelöst wurde. Aus der Buchbinderschen Musikschule gingen viele Künstler, Musikdirektoren, Militärkapellmeister, Kammermusiker und Komponisten hervor.
In der Zeit der Buchbinder-Dynastie wurde das Turmblasen eingeführt und entwickelte sich zu einer Tradition. So zu Tagesbeginn und -ende, vor, während und nach einem Unwetter sowie zu jeder Stunde in der Nacht. Bis in das 20. Jahrhundert hinein wurde der Brauch gepflegt, das neue Jahr mit Blasmusik vom Turm der Bonifatiuskirche zu begrüßen.

Um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert gab es in Sömmerda noch keinen Erwerbszweig, der über die Versorgung des Ortes und seiner ländlichen Umgebung hinaus Bedeutung besaß. Lediglich die Tuch- und Zeugmacher, die Färber, Leinweber, Lohgerber und Kürschner waren zahlreicher vertreten und ihr Absatzgebiet wird in geringem Umfang größer gewesen sein als das der anderen Stände. Die Haupterwerbsquelle war, wie in den Jahrhunderten vorher, die Landwirtschaft.

Am 6. Juni 1802 wurde im preußischen Besitznahme-Patent, auf der Grundlage des Friedens zu Luneville (9. Februar 1801), die Übernahme der kurmainzischen Gebiete in Thüringen verkündet, die Preußen als Entschädigung für seine an Frankreich abgetretenen linksrheinischen Gebiete erhielt. Sömmerda, Schallenburg und Rohrborn wurden Bestandteil des Königreiches Preußen.


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