Sömmerda/ Thür.

Auszüge aus einer Chronik, die es noch nicht gibt

6.  Sömmerda in der Zeit bis zum Ende des 1. Weltkrieges

Am 1. Juli 1867 trat die Verfassung des Norddeutschen Bundes in Kraft. Viele deutsche Staaten, in der näheren Umgebung die Vielzahl der thüringischen Kleinstaaten, waren in einem größeren Bundesstaat, dessen wichtigstes Staatsgebilde Preußen war, aufgegangen. Der Bundesstaat hatte wesentliche Souveränitätsrechte an sich gezogen und sollte die weitere Entwicklung der Einzelstaaten immer nachhaltiger beeinflussen. In wirtschaftlicher und sozial-politischer Hinsicht wurden Gesetze über die Freizügigkeit, den Unterstützungswohnsitz, sowie die Gewerbeordnung und die Vereinheitlichung der Maße und Gewichte erlassen. Alle diese Gesetze hatten das Ziel, der vollen Entfaltung der kapitalistischen Produktion freie Bahn zu verschaffen. Durch das Reichsmünzgesetz vom 9. Juli 1873 wurde die Münzeinheit durch Einführung der Markwährung geschaffen. Der Bund bildete ein einheitliches Zollgebiet, die Folge war die Aufhebung der einzelstaatlichen Zollgesetze und ihre Ersetzung durch das Vereinszollgesetz vom 1. Juli 1869.

1869 schuf Bürgermeister Martini aus der Turnerfeuerwehr eine freiwillige (städtische) Feuerwehr. Zum Leiter der Feuerwehr wurde Hauptmann a. D. Koch bestellt. In dieser Zeit wurde auch ein Feuerwehrgerätehaus, das alte Spritzenhaus, in der Neuen Straße (heute Adolf-Barth-Straße), zwischen der Mühle und dem alten Brauhaus (später Gaststätte "Blauer Affe") errichtet, das zur Aufnahme der Gerätschaften diente. Die Ausbildung der Feuerwehrleute wurde nun systematisch durchgeführt.

Die Firma "Nikolaus Dreyse" konnte offensichtlich ab Mitte der 60er Jahre mit dem Tempo der militärtechnischen Entwicklung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, insbesondere auf dem Gebiet der Armeehandfeuerwaffen, nicht mehr Schritt halten. Nach dem Tod von Nikolaus von Dreyse bemühte sich das preußische Kriegsministerium, die Fabrik aufzukaufen und in eine staatliche Gewehrfabrik umzuwandeln. Der Erbe, Franz von Dreyse, lehnte dies ab.
Nach dem Kriege 1870/71 wurde in Erfurt eine staatliche Gewehrfabrik gegründet. Bereits 1871 war die Entscheidung zugunsten des Mauser-Gewehrs M 71 und der Metallpatrone gefallen. Die Neuausrüstung der deutschen Armee erfolgte mit diesem Waffentyp. 1876 wurde die Gewehr-Revisionskommission in Sömmerda aufgelöst.

Die fortschreitende industrielle Entwicklung bewirkte den Ausbau des Verkehrsnetzes, besonders im Eisenbahnwesen. 1872 - 1874 wurde die Saale-Unstrut-Bahn von Straußfurt nach Großheringen gebaut. Die Betriebseröffnung erfolgt am 14.8.1874. Durch Vertrag vom 1.7.1874 gingen Betrieb und Verwaltung der Strecke auf die Nordhausen-Erfurter Eisenbahngesellschaft über. Aufgrund der großen Pfefferminzanbaugebiete um Kölleda wurde sie im Volksmund die "Pfefferminzbahn" genannt. Von Straußfurt bestand Anschluß an die Strecken nach Erfurt und Nordhausen (1869). Von Großheringen bestand Anschluß an die Strecken nach Weißenfels-Weimar (1846), Jena-Saalfeld (1874), Verbindung zwischen der Thüringischen und Saalbahn.
1879 - 1881 wurde die Bahnstrecke Erfurt-Sangerhausen fertiggestellt. Am 24. 10. 1881 wurde der Gesamtverkehr auf der Strecke aufgenommen. Der Bahnhof Sömmerda war mit dem entstandenen Gleisschnittpunkt zum Turmbahnhof - eine in Deutschland seltene Bahnhofsform - bei der sich zwei Strecken auf unterschiedlichem Niveau kreuzen - geworden.

Die Gewehrfabrik in Sömmerda erhielt keine Staatsaufträge mehr. In Sömmerda wurden nun hauptsächlich Waffen und Munition für den nichtmilitärischen Bedarf hergestellt, besonders für die Jagd und das Schützenwesen. Darüber hinaus wurden in der Dreyseschen Fabrik Brücken, landwirtschaftliche Geräte und Maschinen, Werkzeugmaschinen, Einrichtungen für die Eisenbahn und Müllereimaschinen gebaut. Der Betrieb wurde zwar noch durch eine Maschinenfabrik und eine Eisengießerei erweitert, jedoch die vormalige Blüte des Sömmerdaer Unternehmens war vorbei. Es setzte eine rückläufige Entwicklung ein.
Ein großer Teil der Arbeiter der Gewehrfabrik, vor allen diejenigen, welche unverheiratet und jung waren, verließen zum Vorteil des städtischen Armenverbandes sowie der verheirateten und älteren Arbeiter die Stadt.
Ein bedeutender Teil der Arbeiter aus der Gewehrfabrik von Dreyse fand zu Ende des Jahres 1875, durch die Separationsplanlage, in der Feldmark Sömmerda, bei den allgemeinen Wege- und Entwässerungskanalbauten, sowie bei anderen derartigen Feldarbeiten Beschäftigung, allerdings nicht mehr mit dem gewohnten reichlichen Verdienst.
Die Einwohnerzahl von Sömmerda verringerte sich um ca. 1000. Die Fabrik hatte 1894, dem Todesjahr von Franz von Dreyse, nur noch 300 Beschäftigte.
Sömmerda, wo sich ein für die damalige Zeit großer Rüstungsbetrieb befand, erlebte in einer Zeit, in der die deutsche Industrie expandierte, besonders drastisch die Auswirkungen des harten Konkurrenzkampfes im Rüstungsgeschäft.

Die Zündhütchen-, Eisen- und Blechwarenfabrik "Dreyse und Collenbusch" beschäftigte 1875 155 weibliche und 48 männliche Arbeiter und fertigte Zündhütchen, Patronenhülsen, Munitionsartikel, Nieten und Striegel, die in alle Welt abgesetzt wurden. Sie wurde im Jahr 1897 zum Teil umgebaut, vergrößert und mit neuen Maschinen ausgerüstet.
Außerdem befand sich in Sömmerda eine Farbenfabrik, die hauptsächlich Indigoextrakte herstellte, sowie ein umfangreiches Gerbereigeschäft.

Ende des 19. Jahrhunderts war unter der männlichen Sömmerdaer Bevölkerung der Drang stark, sich in Vereinen zu organisieren und besonders auch, sich sportlich zu betätigen. Am 9. August 1873 wurde der "Männerturnverein Sömmerda" (MTV) gegründet. Sein Sprechwart war R. Linse, einer der Mitbegründer der Ratmann A. Barth.
Ziel des MTV war: Erwachsene Gelegenheit zu geben, durch geregelte Leibesübungen die Gesundheit des Körpers zu pflegen, den sittlichen Manneswert und Mut zu mehren und zu beleben, bei Festlichkeiten die Mitglieder durch Vorträge ernster und heiterer Natur zu unterhalten."
1889 wurde der "Arbeiter-Radfahrverein Solidarität" und ein Jahr später der "Radfahrverein 1890" gegründet.
1893 war das Gründungsjahr des Männergesangvereins.
1909 beschloß die Mehrheit des seit 1864 bestehenden "Turnvereins Sömmerda" sich in "Arbeiterturnverein Sömmerda" (ATV) umzubenennen, damit begann in Sömmerda die Epoche des "Arbeiter-Turn- und Sportbundes". 1911 gründeten die Sportfreunde Rohrmann und Hahn, mit ballsportbegeisterten Sömmerdaern, den "Verein für Bewegungsspiele" (VfB) Sömmerda, der Mitglied im "Verband Mitteldeutscher Ball-Spielvereine" war. 1916 schieden die Fußballer aus dem "ATV" aus und bildeten den "Sportclub Sömmerda", er wurde 1919 in "Fußballverein Sportfreunde Sömmerda" umbenannt. Er gehörte bis 1922 ebenfalls dem "Verband Mitteldeutscher Ballspiel-Vereine" an, schloß sich aber dann dem "Arbeiter-Turn- und Sportbund" an.

1891 wurde mit der Neupflasterung der Straßen der Stadt begonnen, die auch neu benannt und mit neuen Hausnummern versehen wurden.
1891 brannte die Ziegelei ab. Sechs Jahre später fertigten wieder 130 Arbeiter täglich 12 000 Mauerziegel und 15 000 Dachziegel.
1893 wurde die Präparandenanstalt (Ausbildung von Lehrern) in der Bahnhofstraße (heute Gebäude Kreiskrankenhaus) gebaut.
1897 wurde die Kronbiegelsche Gasanstalt erbaut.
1897-1898 bauten die Fabrikbesitzer Kronbiegel-Collenbusch eine Wasserleitung.


In den Jahren 1897/98 erfolgte erstmals eine großzügige Umgestaltung des Bahnhofes. Das Niveau der oberen Station wurde um 1,5 Meter angehoben, das Überführungsbauwerk verbreitert und ein gesondertes Empfangsgebäude für die Strecke Sangerhausen-Erfurt errichtet. Im Bereich des unteren Bahnhofes erweiterte man die Ortsgüteranlage und baute den heute noch stehenden Güterschuppen.
Eine Rampenanlage schloß sich an. Anstelle des Güterschuppens am oberen Bahnhof entstand, im Anschluß an das Empfangsgebäude, ein Gebäude mit Dienstwohnungen.

1901 kaufte die Stadt für 7116 Mark den größten Teil des Pfarrgartens und schuf hier den 10 Morgen großen Stadtpark.

Der Enkel Nikolaus von Dreyses, Vertreter der dritten Generation derer von Dreyse, hatte keine persönlichen Beziehungen mehr zum Sömmerdaer Betrieb. Er lebte in Berlin.
Am 19. Januar 1899 wurde die Firma "Nikolaus von Dreyse", mit einem Aktienkapital von 1 600 000 Mark, in die "Munitions- und Waffenfabrik Sömmerda Akt.Ges., vorm. von Dreyse" umgewandelt.
An der Spitze des Aufsichtsrates stand der Geheime Baurat Ehrhardt. Die inzwischen aufgenommene Fahrradfabrikation wurde sofort eingestellt, diese übernahm die zum "Rheinmetall"-Konzern gehörende Fahrzeugfabrik Eisenach. Die Fabrikation von Jagdgewehren wurde ausgebaut, die Zahl der Arbeiter erhöhte sich von 300 auf 600. Versuche, mit weiterentwickelten Infanteriegewehren mit den Balkanländern, Spanien und Portugal ins Geschäft zu kommen, führten zu keinem Erfolg. Zudem mußten erhebliche Summen investiert werden, um die Gebäude als Werkstätten wieder gebrauchsfähig zu machen.

Da die Beleuchtung in der Stadt Sömmerda noch durch Petroleum erfolgte, wurde vom Aufsichtsrat beschlossen, den Rohrhammer, der im Jahre 1903 abgebrannt war, neue aufzubauen, die Wasserkraft auszunutzen und ein Elektrizitätswerk für das Werk und die Stadt zu errichten. Mit der Stadt wurde ein Stromabnahmevertrag über 25 Jahre abgeschlossen. Als die Rohrhammeranlage betriebsfertig war, erhob der Mühlenbesitzer Einspruch und es begann ein Prozeß um die Wasserrechte, der alle Instanzen bis vor das Reichsgericht durchlief. Da den Mühlen, laut den damaligen Gesetzen, besondere Wasserrechte zugebilligt wurden, verlor die "Waffen- und Munitionsfabrik" den Prozeß, was sie viel Geld kostete.
Die Reduzierung des Aktienkapitals und hohe Bankschulden führten zum Konkurs der "Waffen- und Munitionsfabrik Sömmerda Akt.Ges. vorm. von Dreyse".

Am 31. März 1901 wurde die "Waffen- und Munitionsfabrik AG Sömmerda" von der "Rheinischen Metallwaren- und Maschinenfabrik Düsseldorf-Derendorf", mit einem Aktienkapital von 1 200 000 Reichsmark, übernommen. Heinrich Ehrhardt, der Stellvertreter des Vorsitzenden im Aufsichtsrat von "Rheinmetall" und Mitaktionär der "Waffen- und Munitionsfabrik AG Sömmerda" war, hatte diese Angliederung initiiert.
Werksansich bei der Uebernahme durch Rheinmetall

Die Umbewaffnung der deutschen Armee mit kleinkalibrigen Gewehren und vor allem der dazugehörigen, in großen Mengen benötigten Munition, nutzte Ehrhardt und gründete am 7. Mai 1889 die "Rheinische Metallwaren- und Maschinenfabrik Aktiengesellschaft" in Düsseldorf.
Erster Standort der Fabrik war Derendorf. Die Fabrikation war in ihrer Art ganz neu, es handelte sich um eine ausgesprochene Massen-Präzisionsfabrikation. Schon im zweiten Jahr ihres Bestehens stellte die Fabrik 800 000 Patronen pro Tag her.
Rheinmetall

Das stilisierte Bild des Vierkantblockes in der zylindrischen Preßform, das Firmenzeichen von "Rheinmetall", charakterisierte das erste wichtige Patent von Ehrhardt, das nahtlos gezogene Rohr. Darauf aufbauend entwickelte er das "Rheinmetall"-Werk zu einer führenden Rüstungsfabrik. Das Düsseldorfer Werk wurde eine ausgesprochene Geschoßfabrik, der vorläufig nur noch der Zünderbau fehlte.
Die zweite wichtige wehrtechnische Erfindung von Ehrhardt war das Rohrrücklaufgeschütz, eine Lösung, die das Richten des Geschützes nach jedem Schuß nicht mehr notwendig machte. Die Geschützproduktion wurde aufgenommen und für ein lukratives Geschäft war nun notwendig, zu den Geschützen auch die erforderliche komplette Munition zu liefern.

Ein türkischer Großauftrag gab den Anstoß, die "Munitions- und Waffenfabrik AG., vorm. Nikolaus von Dreyse" Sömmerda, dem "Rheinmetall"-Konzern anzugliedern.

Am Ende des 1. Weltkrieges arbeiteten im "Rheinmetall"-Konzern 48 000 Menschen, darunter 9000 Frauen.
Unmittelbar nach der Novemberrevolution stellte das Werk Düsseldorf auf den Lokomotiv- und Waggonbau um. Darüber hinaus nahm man den Bau von landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten auf und lieferte dabei im Jahre 1920 viele zehntausende von einfachen einscharigen Pflügen nach Sowjetrußland.
1921 schied Heinrich Ehrhardt aus dem "Rheinmetall"-Konzern aus; er starb am 20. November 1928 im Alter von 88 Jahren.


Sofort nach der Übernahme modernisiert man die Abteilungen in Sömmerda im großen Maßstab, die alten Baracken wurden durch Eisenbetonbauten ersetzt. Besondere Aufmerksamkeit galt der Zünderproduktion mit ihren vielgestaltigen Teilen und großen Anforderungen an die Genauigkeit. Aus dem Feuerwerkslaboratorium in Spandau wurden Fachleute engagiert.
Als Großaufträge für Artilleriezünder ausblieben, wurden 300 Arbeiter entlassen. 1902 wurden die verbliebenen Arbeiter nur vormittags beschäftigt.

Diese Situation änderte sich schlagartig, als 1904 der russisch-japanische Krieg ausbrach und "Rheinmetall" von Rußland den Auftrag über 500 000 Aluminiumzünder erhielt. Innerhalb kürzester Frist wurden in die Abteilung Sömmerda 1000 Arbeiter eingestellt.

Die Abteilung Sömmerda der "Rheinischen Metallwaren- und Maschinenfabrik" war wieder zu einem Rüstungsbetrieb umprofiliert. Aufgenommen wurde die Fabrikation von Richtmitteln, sämtliche Visiereinrichtungen für Geschütze, Zünderschlüssel und -maschinen, Stative für Richtmittel. 1906 wurde eine neue Abteilung für automatische Waffen eingerichtet. Aufgenommen wurde die Pistolenproduktion, es folgte 1912 der Bau von Maschinengewehren.

Im Jahre 1906, neben den Fuhrwerken sah man in zunehmendem Maße Fahrräder, Motorräder und Autos auf den Straßen, sah sich das Reich gezwungen, in das Chaos der Verkehrsvorschriften einzugreifen.
Der Bundesrat des Deutschen Reiches faßte am 3. Mai 1906 den "Beschluß über Grundsätze des Kraftfahrwesens", der durch Landesverordnungen ausgeführt wurde. Damals wurden auch polizeiliche Kennzeichen und die Vorschrift des Rechtsfahrens mit links überholen allgemeingültig eingeführt.

Ein Problem für den weiteren Ausbau der Abteilung "Rheinmetall" Sömmerda wurden in zunehmendem Maße die benötigten Arbeitskräfte. Das Arbeltskräfteproblem war nur durch Zuzug von Arbeitskräften von außerhalb zu lösen. Zum entscheidenden Kettenglied wurde die Wohnungsfrage. Die Konzernleitung beschloß den Bau einer größeren Arbeiterwohnhaus- Kolonie. 28 Einzelwohnhäuser mit Gärten in der Aue wurden gebaut, sie wurden 1912/13 bezogen. Die Straße erhielt den Namen Ehrhardtstraße. Da es in Sömmerda an einer ganzjährigen Bademöglichkeit fehlte, wurde auch der Bau des Erholungsheimes (Kantine) mit Badeanstalt (Wannenbad) in Angriff genommen.

Die "Weißenseer Zeitung" berichtete in ihrer Ausgabe vom 11. Januar 1905, daß ein Bergbau-Revierbeamter die Ergebnisse aus der erbohrten Solquelle auf dem Koberschen Grundstück in der Auenstraße abgenommen hat und zu einem positiven Urteil kam. Der Errichtung eines Solbades stand damit nichts mehr im Wege. 1908 wurde die Kobersche Solquelle vom Ministerium in Berlin als gemeinnützig anerkannt. In drei Kabinen wurde der Badebetrieb, besonders für Kinder, aufgenommen. Um 1918 wurde der Badebetrieb eingestellt.

Am 26. September 1913 wurde die neugebaute Volksschule in der Kölledaer Straße, der am 1. Juni 1994 erneut der Name "Christian Gotthilf Salzmann" verliehen wurde, feierlich eingeweiht. Sie zählte in ihrer Zeit zu den modernsten Schultypen. Mit der Errichtung der Schule war ein wesentlicher Schritt zur Verbesserung der Schulverhältnisse in der Stadt getan.

Die Ziegelei "Martini" hatte sich schrittweise in eine mit allen technischen Errungenschaften ausgerüstete Großziegelei entwickelt.
Sie beschäftigte 1913/14 600 Arbeiter, darunter viele Italiener, die in einer Wohnkaserne an der Fabrik untergebracht waren.

Viele Bauwerke, wie z. B. der "Dom zur Lieben Frau" (Frauenkirche) in München, die deutsche, evangelische Kirche in Rom, Krankenhäuser der barmherzigen Schwestern in Essen/Ruhr, Gebäude der Hamburger Hochbahn, viele Kasernen und Gebäude der Heeresverwaltung und Marine u. a. waren mit Ziegeln aus Sömmerda gedeckt.

Am 1. August 1914, als Kaiser Wilhelm I. die Mobilmachung des deutschen Heeres und der kaiserlichen Marine befahl und Deutschland Rußland den Krieg erklärte, begann für die Stadt Sömmerda eine neue Entwicklungsetappe.
In der Abteilung Sömmerda der "Rheinmetall" spielte sich ein Musterstück der preußisch-deutschen Militärbürokratie oder auch ein raffiniert eingefädelter Schachzug der Rüstungskonkurrenten ab. In den ersten drei Tagen nach der Mobilmachung wurden alle wehrfähigen und gedienten Männer eingezogen. Nur Jugendliche und alte Leute blieben zurück. Die Rüstungsproduktion mußte daraufhin eingestellt werden. Erst drei Monate später wurde dieser Widersinn rückgängig gemacht und Direktion, Angestellte und Arbeiter wieder nach Hause geschickt.

Die Forderungen des Kriegsministeriums auf Lieferung von Zündern und anderen kriegswichtigen Gegenständen wurden höher und höher geschraubt, zu deren Erfüllung aber die Gebäude bei weitem nicht ausreichten.

Es wurde sofort mit großangelegten Neubauten begonnen. Tausende von Maschinen wurden bestellt, neue Einrichtungen wie Werkbänke, Transportmittel, Waschanlagen usw. beschafft und Werkzeuge waggonweise bezogen. Mit dem Kraftwerk Thüringen wurde ein Stromlieferungsvertrag abgeschlossen.

Die vom Generalkommando Kassel zugewiesenen Arbeitskräfte konnten nicht in Sömmerda untergebracht werden und mußten in den umliegenden Dörfern einquartiert werden. Die Eisenbahndirektion setzte morgens und abends vier Sonderzüge ein und brachte Tausende aus den Richtungen Erfurt, Sangerhausen, Straußfurt und Großheringen nach Sömmerda. Der Staat öffnete die Tore der Rüstungsbetriebe weit. Kriegerfrauen, entlassene Hausangestellte, Frauen aus als kriegsunwichtig geschlossenen Einrichtungen u. a. wurden von der Kriegsindustrie aufgesogen. Viele Frauen waren jetzt Familienoberhaupt, arbeiteten in der Fabrik, waren für die Kindererziehung verantwortlich und warteten jeden Tag in einer Schlange, um das "tägliche Brot" zu erstehen. 1915 arbeiteten 8000 Menschen in "Rheinmetall" Sömmerda.
Das Werk beteiligte sich finanziell bei der Siedlungsgesellschaft "Sachsenland" Halle (Erschließungsarbeiten), die auf dem Gartenberg eine große Arbeiter-Kolonie erbaute. Interessierte Belegschaftsangehörige erhielten Hypotheken von 1000 bis 4000 Mark. "Rheinmetall" selbst gehörten in dieser Siedlung 27 Wohnhäuser.

In der Bahnhofstraße wurde ein Ledigenheim (heute Landratsamt) gebaut und dort 250 Mädchen und Frauen untergebracht. Zu beiden Seiten der Straße nach der Langen Brücke wurden 10 Wohnbaracken aufgestellt.

Ebenso wie "Rheinmetall" mußte sich "Dreyse & Collenbusch" auf eine Vervielfachung seiner Produktion einstellen. Die vor der Stadt gelegenen Laborbetriebe wurden um drei große Gebäude erweitert und hierin die Zündhütchenfabrikation konzentriert.
Die Zahl der Belegschaft erhöhte sich auf 700. Die hinzugekommenen Arbeiter wurden in neu errichteten Häusern und Baracken untergebracht.

1917/18 wurden die Beamtenwohnhäuser in der Goethe- und Schillerstraße gebaut. Im gleichen Jahr wurden in "Rheinmetall" die Kläranlage und der Wasserturm gebaut.
Wasserturm

Mit der Fortdauer des Krieges, der wachsenden Zahl der Opfer, der Not und der zunehmend schlechteren Lebensmittelversorgung wuchsen Kriegsmüdigkeit und Antikriegsstimmung unter den Menschen.
1918 waren in "Rheinmetall" Sömmerda 10 000 Menschen beschäftigt, darunter 43% Frauen.
Um die gleiche Zeit grassierte in Sömmerda eine Grippeepedemie, die infolge der Unterernährung viele Opfer forderte.

Am 11. November 1918 entwickelten sich die revolutionären Ereignisse in Sömmerda. Die "Rheinmetaller" zogen zum Marktplatz und vereinigten sich hier mit den Arbeitern von "Dreyse & Collenbusch". Im Rathaussaal konstituierte sich der Arbeiterrat von Sömmerda und dem Kreis Weißensee.

5000 Arbeiter von auswärts verließen Sömmerda, weitere ca. 5000 wurden noch 1/4 Jahr vom Werk bezahlt. 1919 beschäftigte "Rheinmetall" Sömmerda noch 1500 Arbeiter. Zum zweiten Mal in der Geschichte des Betriebes standen tausende von Arbeitern von heute auf morgen ohne Arbeit da.

1918 brach ein Großbrand in den "Martini-Werken" aus, das Feuer wütete drei Tage, die Hälfte der Ziegelei wurde vernichtet.


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